Bürgermeister Mario Dahm: Das Jahr ist wie im Flug vergangen

Bürgermeister Mario Dahm am Schreibtisch im Rathaus

Bürgermeister Mario Dahm am Schreibtisch im Rathaus

(2.11.2021, dmg) Am 1. November 2020 hat der damals neu gewählte Bürgermeister Mario Dahm sein Amt angetreten. Seitdem ist viel passiert. Wir haben mit Dahm über Herausforderungen, Hürden und Höhepunkte des ersten Amtsjahres und über die Projekte der Zukunft gesprochen.

Ein Jahr Bürgermeister! Ist Routine eingekehrt oder fühlt es sich immer noch neu an?

Das Jahr ist auf jeden Fall wie im Flug vergangen. Sicherlich kehrt mit der Zeit etwas Routine ein, aber durch die Fülle von Themen und Aufgaben ist eigentlich kein Tag wie die andere. Das ist herausfordernd, aber auch sehr spannend. Es gibt also immer etwas Neues und ich gebe auch gerne zu, dass ich jeden Tag etwas dazulerne ­­– wäre ja auch schlecht, wenn das anders wäre.

Was sind die größten Unterschiede zu Ihrem Leben vor dem Amt als Bürgermeister?

Gute Frage, ganz knapp: Es gibt viel weniger Freizeit und viel mehr Verantwortung. Und man muss sich schnell daran gewöhnen, im Fokus zu stehen. Als Bürgermeister ist man quasi von Berufs wegen mitten drin in allen Zielkonflikten und mit ganz vielen unterschiedlichen Interessen konfrontiert, und natürlich kann man nicht jeden persönlichen Wunsch erfüllen. Das ist aber auch gar nicht die Aufgabe. Am Ende muss es um die beste Lösung für die gesamte Stadt gehen.

Nennen Sie uns einen positiven Höhepunkt im ersten Amtsjahr. Was hat Sie besonders gefreut?

Das kann ich gar nicht genau sagen. Ich freue mich immer, wenn positives Feedback kommt über ein Projekt oder wenn man bei einem Problem schnell und unkompliziert helfen kann. Wenn ich einen persönlichen „Höhepunkt“ herausgreifen soll, dann würde ich jetzt mal die Regenbogenfahnen am Rathaus zum Aktionstag gegen Homophobie nennen. Das mag jetzt nicht direkt einleuchten, weil es doch nur drei bunte Fahnen sind. Ja, das stimmt natürlich, aber die drücken eben etwas aus, ein modernes, weltoffenes Hennef, ein respektvolles Miteinander in Vielfalt, eine inklusive Normalität. Und das an einem historischem Rathaus, vor dem im Laufe der Geschichte auch schon ganz andere Fahnen wehten. Ich finde, das sind ganz besondere Momente.

Und worüber haben Sie sich am meisten geärgert?

Da nicht alles immer klappt, ärgert man sich natürlich auch hin und wieder, vor allem wenn Debatten unsachlich oder persönlich verletzend sind. Geärgert habe ich mich, wenn ich ein Beispiel nennen soll, dass die Landesregierung den Betroffenen des Starkregens in Hennef nicht auch so unkompliziert Unterstützung gewährt wie Betroffenen andernorts. Weil ich mit vielen Betroffenen auch persönlich gesprochen und gesehen habe, welche Schäden das Wasser angerichtet hat, hätte ich mir eine andere, unbürokratische Entscheidung gewünscht. Immerhin konnten wir als Stadt mit dem Spendenprojekt etwas helfen. Die Solidarität der Henneferinnen und Hennefer war der eigentliche Lichtblick angesichts der Ereignisse.

Mobilität ist eines Ihrer zentralen Projekte. Wie ist der Sachstand?

Die Arbeiten am Masterplan Mobilität haben begonnen. Bei der ersten Online-Beteiligung sind über 1.400 Vorschläge und Ideen eingebracht worden. Wow! Das zeigt, dass das neue digitale Beteiligungsformat sehr gut funktioniert hat, aber auch wie wichtig das Thema Verkehrswende hier in Hennef ist. Wir müssen nachhaltige und saubere Mobilität zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus und Bahn stärken und nicht mehr alles nur aus der Sicht des Autos denken. Das ist eine zentrale Zukunftsaufgabe und leider sehr langwierig, weil genau das alles jahrzehntelang nicht gemacht worden ist. Die existierende Stadt geht der aktuellen Stadtplanung immer schon voraus. So gibt es jede Menge Problemstellen. Wir haben erste Weichenstellungen vorgenommen, planen beispielsweise eine Radstation am Bahnhof, Radpendlerrouten, Fahrradabstellanlagen und Mobilstationen. Ab Dezember soll der zweite Schnellbus über Hennefer Stadtgebiet fahren. Und mit dem Stadtexperiment für den „autofreien Schulcampus“, das im nächsten Jahr starten soll, beweisen wir an dieser Stelle Mut für Neues. Damit all diese Prozesse koordiniert laufen, habe ich im Rathaus eine neue Abteilung für Mobilitätsplanung eingerichtet.

Bezahlbarer Wohnraum ist ein weiteres Thema, das sie sich auf die Fahnen geschrieben haben. Wie ist da der Stand der Dinge?

Wir haben die Situation, dass das Wohnen in unserer Region immer teurer wird. Wenn wir nicht wollen, dass sich Menschen mit kleinen Einkommen ein Zuhause in Hennef bald nicht mehr leisten können, müssen wir endlich gegensteuern. Das ist alles andere als einfach, weil die Stadt kaum noch Grundstücke besitzt, deren Entwicklung sie durch das Eigentum steuern kann. Wir müssen also beim Planungsrecht ansetzen. Deshalb bedaure ich es nach wie vor, dass sich eine Mehrheit im Rat gegen eine Quotenregelung ausgesprochen hat. Eine solche von der Verwaltung vorgeschlagene Regelung, die übrigens vom Mieterbund als beispielhaft gelobt wurde, hätte die Schaffung von neuem Planungsrecht in zentralen Lagen und ab eine gewissen Größe daran geknüpft, dass auch geförderte Wohnungen mit günstigeren Mietpreisen gebaut werden. Der Gewinn für den Bauwilligen, der ja durch das zu schaffende Planungsrecht erst ermöglicht wird, bleibt dann immer noch groß genug. Wenn es immer weniger freie Flächen gibt, muss eine Stadt aus meiner Sicht auch genaue Anforderungen an diese Flächen stellen können. So verstehe ich Stadtplanung mit Blick auf alle Einkommensgruppen. 

Dennoch geht es auch bei diesem Thema voran. Aktuell befinden sich eine ganze Reihe von Projekten auch mit geförderten Wohnungen in Planung oder Bau. Da suche ich auch selbst das Gespräch mit Bauwilligen und Investoren. Zusätzlich überarbeiten wir gerade das Wohnungsbaukonzept der Stadt, das bisher auch den Blick zu wenig auf bezahlbaren Wohnraum gerichtet hatte.

Und schließlich Digitalisierung, auch ein Thema, das Ihnen wichtig ist, oder?

Ein Thema das allen wichtig sein sollte. Bereits im Frühjahr konnten wir das erste Digitalisierungskonzept der Stadt Hennef beschließen, das den weiteren Weg zur digitalen Stadt beschreibt. Bürgerinnen und Bürger dürfen von ihrer Kommune erwarten, dass sie mit der Zeit geht und digitale Möglichkeiten nutzt, um den Alltag für alle einfacher zu machen. Da wollen wir immer noch besser werden, Prozesse intern vereinfachen und Dienstleistungen digital und einfach anbieten. Mit der App „Citykey“ bündeln wir nun erstmals viele digitale Angebote und Services in einer übersichtlichen App. Ich kann nur jedem empfehlen, sich die kostenlose App auf das eigene Smartphone zu laden. Gemeinsam mit der Stadt Siegburg waren wir die erste Stadt, in der die App in Zusammenarbeit mit der Telekom an den Start ging. 

Besonders freue ich mich auch, dass mit den Innovationszentrum für Digitalisierung und Nachhaltigkeit ein zukunftsweisendes Projekt in Hennef ins Leben gerufen wurde. Wenn alles klappt, entsteht hier ein Ort und ein Netzwerk zum Austausch und Wissenstransfer zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Stadtgesellschaft. Davon kann Hennef auf dem Weg zur digitalen Stadt nur profitieren.

Welche Herausforderungen kommen auf die Stadt in den nächsten Jahren zu?

Das sind zum einen die eben beschriebenen Themen Verkehrswende, Digitalisierung und die Frage wie wir das Wachstum sozial verträglich gestalten und schauen, dass unsere Stadt eine Heimat für alle bleiben kann. Das ist zum anderen aber auch der Klimawandel, auf den wir reagieren müssen. Die Dürresommer der letzten Jahre und der Starkregen im Juni sind konkrete Folgen des Klimawandels mit fatalen Auswirkungen. Wir brauchen dringend intelligente Klimaanpassungsstrategien. Da haben wir uns in Hennef auf den Weg gemacht. Hochwasserschutz muss einen höheren Stellenwert bekommen, aber auch der Umgang mit Regenwasser. Wir starten jetzt mit einer Starkregengefahrenkarte für Hennef, um die Gefährdung besser abschätzen zu können. 

Genauso müssen wir auch den Katastrophenschutz noch besser aufstellen. Deshalb arbeiten wir gerade an einer ausfallsicheren Vernetzung und Kommunikation für die Einsatzkräfte und eine flächendeckende Abdeckung des Stadtgebiets mit Sirenenalarm. Besonders wichtig ist natürlich, dass unsere Freiwillige Feuerwehr bestens aufgestellt und ausgerüstet ist. Deshalb investieren wir u.a. in zwei moderne Feuerwehrhäuser in Söven und Stadt Blankenberg und somit ganz konkret in unsere Sicherheit.

Und auf der anderen Seite müssen wir reagieren auf Hitze und Dürre. Versiegelte Flächen müssen stärker begrünt werden. Da starten wir mit einem Konzept für den Marktplatz und grünere Schulhöfe, wofür wir im nächsten Jahr Fördermittel abrufen wollen. Aber auch Aufforstung ist notwendig und ein konkreter Beitrag zum Klimaschutz.

All diese Herausforderungen treffen uns in einer finanziell sehr schwierigen Lage. Seit 2016 befindet sich die Stadt in der Haushaltssicherung, hat über lange Jahre defizitäre Haushalte und verbraucht ihr Eigenkapital. Diese Aufgabe haben wir als neuer Stadtrat sozusagen geerbt und die Verantwortung, unsere finanzielle Eigenständigkeit wieder herzustellen. Ich hoffe, dass wir alle gemeinsam dieser Verantwortung gerecht werden. Wir sind gesetzlich verpflichtet, im Jahr 2025 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Bei der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung wird das ein schmerzlicher Prozess für alle werden, zu dem es aber keine Alternative mehr gibt. Wir müssen raus aus der Haushaltssicherung, sonst entscheiden bald andere für uns.

Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit als Bürgermeister für die nächsten Jahre wichtig?

Unabhängig von den Themen ist es mir wichtig ansprechbar zu sein, Dinge zu erklären und schnell zu informieren, gerade auch in Krisensituationen. Dafür nutze ich, als „Digital Native“ wenn man das so sagen darf, gerne auch digitale Wege. Ich spiele also nicht auf dem Handy rum, wie schon mal kolportiert wird, sondern begreife das als Teil meiner Arbeit als Bürgermeister. Da gibt es sicherlich auch in den nächsten Jahren noch Möglichkeiten, diese Kommunikation weiter zu verbessern. Vor kurzem ist beispielsweise die erste Folge meines neuen Podcast „53773“ erschienen, in dem ich regelmäßig über Hennefer Themen sprechen möchte. Gerne einmal reinhören, zum Beispiel über Spotify oder auf meiner Homepage.

Es war kein einfaches erstes Jahr. Corona, Starkregen – um nur zwei Stichworte zu nennen. Was erhoffen Sie sich vom zweiten Jahr?

Ich würde gerne rauskommen aus dem dauernden Krisenmodus und noch mehr rein ins Abarbeiten unserer vielfältigen Aufgaben. Dafür wünsche ich mir natürlich viel Unterstützung und weniger Hindernisse, Blockade, Verzögerungen und Probleme. Aber ich bin Realist genug, um zu wissen, dass all das immer wieder auftreten wird. Wenn man in die richtige Richtung arbeitet, verkraftet man aber auch kleine Rückschläge.

Auch einem Bürgermeister bleibt ein bisschen Freizeit. Sie sind von Haus aus Germanist und Historiker. Verraten Sie uns, welches Buch sie gerade lesen?

Auf meinem Wohnzimmertisch liegt Robert Misiks Buch „Die falschen Freunde der einfachen Leute“. Der österreichische Journalist Misik geht darin der Frage nach, warum Teile der „arbeitenden Klasse“ so empfänglich für rechtsextreme Parolen sind und populistischen Parteien ins Fangnetz gehen. Aus meiner Sicht eine lesenswerte historische sowie zeitgenössische Analyse mit vielen Denkansätzen. Misik endet, so viel kann man verraten, mit einem Zitat von Bruno Kreisky, das als Ratschlag gegen den erhobenen Zeigefinger gemeint ist: Man muss die Leute gernhaben.